29.12.2007

Warten auf den Achten Tag



Seit Verlassen des großen Weltozeans waren meine Ahnen rückständig. Sie haben sich stets im letzten möglichen Lebensmoment erst fortgepflanzt. Immer erst kurz bevor es nicht mehr machbar gewesen wäre. Als Einzeller mit entsprechend geringer Verzögerung gegenüber anderen Einzellern – denn damals war die Lebenszeit knapp –, als Fischartige dann schon etwas laxer, so daß quasi jeder Laich nur einem Zufall zu verdanken war, und kaum an Land, mit der ohnehin schleichenden Sexualität der Reptilien, derart träg und spät, daß wir wohl als letzte Familie die Gattung der Kriechtiere konservierten, während alle übrigen Ex-Kriecher schon Säugerähnliche waren. Von Generation zu Generation verlängerte sich die nachkommenlose Zeit. Der Abstand zwischen den Primatengenerationen wuchs stetig. Und mitten in jener Evolutionsphase, in die man heute ohne zu zögern das Erscheinen des Urmenschen datiert, findet man meine Ahnen als verwirrt-verspätete vollbefellte Vierbeiner (um eine altertümliche Reimform zu verwenden). So ist es geblieben. Während andere Hominidenfamilien sich alle fünfzehn Jahre erneuerten, lag bei meinen Ur-Erzeugern die Reproduktionsfrequenz bei fünfundzwanzig Jahren. Seit einigen Jahrhunderten bei vierzig usw. Während also jene, allzeit genetisch mit dem Fortschritt kurzgeschlossen, immer gesünderen, gerechteren und genußreicheren Gesellschaften entgegengingen, blieb unsereiner Stamm und Scholle treu...
Zu jeglicher Möglichkeit im Universum“, schrieb mein Urahn Guntbrecht Egge von Gangolfsheim Anno 1889 in sein Papyrustagebuch, „giebt es auch eine Begebenheit.“ Meine Sippschaft hat das leider bestätigt. Sie ist die wohl einzige Verwirklichung der Möglichkeit, daß durch ausnahmslos späte Fortpflanzung die Evolution verzögert wurde, und zwar durch maximale Verspätung jeder Generation um eine geradezu tragische Zeitspanne. Seit Anbeginn der Welt, so habe ich es im Historioskop recherchiert, hat jedes zu meinem Stammbaum gehörende Lebewesen genau so lange gezögert sich fortzupflanzen wie es möglich war, nämlich im Schnitt um das 2,364-fache länger als andere Lebenwesen, kurz: das Alter jeder Elterngeneration lag um mehr als das Doppelte über dem Durchschnittsalter. Das bedeutet nichts anderes als daß die Evolution meiner Vorfahren gegenüber der Evolution um den Faktor 2,364 verzögert ist. Sicher, man kann das nicht ganz so einfach umrechnen. Aber ich habe all mein Spontanes Raumzeitkinesepotential demaximiert, um mich auf Terra Selezi hyperlokalisieren zu lassen und dort den interplanetaren Duxcalculator befragt. Ergebnis: phylogenetisch lebe ich im Jahr 2345! Meine Familie gehört zu den Menschenartigen! Es ist zum Heulen! Für Textzuschauer ohne Moe Levys 'MathsCreation'-Software: das ist ein Zeitpunkt eintausendachthundertundsiebzig Jahre vor unserer Zeitrechnung! Damals war nicht einmal Gott erschaffen! Geschweige denn der Mensch!! –


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